TI-Messenger: Sicher und interoperabel
WhatsApp, Signal und Co. – bekannte Messenger-Dienste, die in unserem privaten Alltag ihren festen Platz gefunden haben. Die Funktionen sind einfach, schlüssig und sinnvoll, sodass sich die Dienste auch für diejenigen eignen, die nicht als Digital Native zur Welt gekommen sind. Aufgrund von Datenschutzlücken ist der Einsatz von WhatsApp und anderen Messenger-Diensten in der gesamten Gesundheitsbranche verboten. Denn im Umgang mit sensiblen Patientendaten ist schließlich besondere Sorgfalt geboten. Wie praktisch wäre also ein sicherer Messenger, der auch im Gesundheitswesen und Pflegesektor angewendet werden könnte? – Die Idee ist nicht neu, es sind bereits verschiedene Messenger im Einsatz, die aber unter einigen Schwachstellen leiden: die interoperable Kommunikation ist nicht möglich, größtenteils sind sie nicht vollumfänglich DSGVO und DSK-konform, sie nutzen unterschiedliche Authentifizierungsmechanismen und darüber hinaus verfügen sie über keine Möglichkeit zur Account Migration. Wer also den Messenger wechselt, verliert seine Daten, sofern diese nicht zuvor manuell abgespeichert wurden.
Die Politik traf somit die Entscheidung, dass sichere, interoperable TI-Messenger für das deutsche Gesundheitswesen entwickelt werden sollen, die einen Zertifizierungsprozess bei der gematik durchlaufen müssen. Die Gesetzesgrundlage trat am 09. Juni 2021 in Kraft und findet sich im Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs–Gesetz (DVPMG) bzw. im §312 SGB V wieder.
Ziel und Nutzen des TI-Messengers
Ziel des Gesetzes ist es, dass ein interoperabler TI-Messenger entwickelt wird, der auf dem Matrix-Protokoll (Open Source) basiert, Ende-zu-Ende verschlüsselt ist, frei gewählt werden kann, orts- und geräteunabhängig ist und Zugang zu einem zentralen Verzeichnisdienst hat. In der Praxis könnte das so aussehen – alle Beteiligten des Gesundheitswesens können in Echtzeit miteinander kommunizieren. Beispielswiese erleichtert es die sichere Kommunikation für das Pflegepersonal über einen Messenger, der bei Bedarf auch in die Primärsysteme integriert werden kann. „Kannst du bei der Patientin im Zimmer 012 noch einmal nach dem Rechten sehen? Sie klagte vor einer Stunde über leichte Rückenschmerzen und ich habe ihr entsprechende Arzneimittel verabreicht. Aktuell bin ich in einem Angehörigengespräch verwickelt, danke.“ Eine kurze, dennoch wichtige Nachricht, die die Arbeit von Mitarbeiter:innen in der Pflege enorm erleichtern kann. Um die Interaktion auf sicherem Wege zu ermöglichen und die Daten von Patient:innen zu schützen, braucht es sichere TI-Messenger. Diese werden in drei Ausbaustufen zugelassen. Ende Juli gab die gematik die Spezifikationen für die Version 1.1 bekannt:
In der ersten Ausbaustufe können die Leistungserbringer sektorübergreifend miteinander Daten wie Bilder oder Dokumente austauschen und Chatten. So wie es im vorherigen Use Case dargestellt wurde. Das muss sich jedoch nicht auf eine Einrichtung beschränken – Ärzt:innen von Schleswig-Holstein bis zum Bodensee können sich kurzfristig zu einem bestimmten Krankheitsbild in den eigens dafür erstellten Chaträumen austauschen. Ein wichtiges Feature, wo aktuelle Messenger-Dienste an ihre Grenzen kommen, da sie über keine offenen Schnittstellen verfügen.
Im nächsten Schritt wird es Versicherten und Krankenkassen als weitere Nutzergruppe ermöglicht, mithilfe des TI-Messengers zu kommunizieren. So muss der TI-Messenger für jeden Versicherten über die ePA zugänglich sein. Patient:innen haben dann die Möglichkeit entweder direkt oder mittels Funktionsaccounts mit ihrer Krankenkasse oder Arztpraxis zu chatten, um z.B. Termine zu vereinbaren oder Folgerezepte nachzubestellen. Ähnliche Funktionen wurden bereits in Arztpraxen getestet, wodurch telefonische Anfragen um rund 30% reduziert werden konnten. Eine Entlastung für Patient:innen und Personal gleichermaßen.
Wenn die dritte und letzte Stufe erreicht ist, sind bereits alle Nutzer:innen mit einem Messenger versorgt. Neben den privaten und gesetzlichen Krankenkassen können sich auch Institutionen wie Gesundheitsämter oder das BfArM an einen TI-Messenger anschließen. In der letzten Ausbaustufe soll der TI-Messenger durch eine Video-Chat-Funktion erweitert werden.
Die Erwartungen an den TI-Messenger sind hoch, aber das dürfen sie auch sein. Schließlich ist er die erste Anwendung der zukünftigen TI 2.0 und erreicht eine sehr hohe Anzahl von Nutzer:innen. Andere Messenger-Dienste, die auf dem Matrix-Protokoll basieren, werden aktuell von deutlich kleineren Nutzergruppen eingesetzt wie beispielsweise der Bundeswehr-Messenger. Auf der Anwenderseite sprechen wir somit von einer anderen Größenordnung, denn die bisherigen Anwendungen wie kim+ wurden ausschließlich von den Leistungserbringern des Gesundheitswesens genutzt. Der TI-Messenger hingegen spielt in einer anderen Liga, da neben den Leistungserbringern auch Krankenkassen und alle gesetzlich Versicherten von der Anwendung profitieren werden.
Überflüssig oder überfällig?
Die Antwort ist klar – ein Messenger für das deutsche Gesundheitswesen, der interoperabel und sicher kommuniziert, ist lange überfällig. Die Frage ist also nicht, ob der Messenger einen Mehrwert bringt, sondern lediglich wann dieser spürbar wird. Wir müssen hierzulande aufholen, um auch zukünftig eine qualitative hochwertige Versorgung der Patienten sicherstellen zu können. Doch warum hängen wir eigentlich hinterher? – Das weiß Jan Wemmel, Senior Vice President Health & Public Sector bei Arvato Systems: „Einer der Gründe, warum wir in Deutschland so weit zurückliegen, sind die Sektorengrenzen. Wir müssen es endlich schaffen diese Grenzen zu überwinden. Neben neuen Vergütungssystemen wie Hybrid-DRGs könnte der TI-Messenger ein weiteres wichtiges Puzzleteil werden.“ Um das große Puzzle „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ zu vervollständigen, nimmt die Entwicklung des Messengers mit Unterstützung der gematik weiter Fahrt auf.
Da sich der Zulassungsprozess verzögert, werden die ersten Messenger voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2023 erwartet. Versicherte und Krankenkassen sollen ab 2024 einen TI-Messenger nutzen können. Millionen Menschen, darunter Mediziner:innen, Apotheker:innen und Versicherte, können somit den nächsten Meilensteinen entgegenfiebern und von den vielfältigen Möglichkeiten wie der Integration von Chatbots oder KI-gesteuerten Geräten profitieren. Denn die Visionäre im Gesundheitswesen denken noch einen Schritt weiter: zusätzlich sollen Schnittstellen zu medizinischen Geräten geschaffen werden – ganz im Sinne eines smart-Krankenhauses. So können Dialyse-Geräte mit dem Personal in Echtzeit kommunizieren, wenn es Schwierigkeiten oder Probleme gibt - direkt per Push-Nachricht auf die Smartphones des Pflegepersonals.
Auch Arvato Systems sieht in der Interoperabilität einen wichtigen Meilenstein für den Gesundheitssektor und treibt das Thema aktiv mit seinen Partnern voran. Als Profi der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen kennt das Unternehmen den Bedarf der Branche und stellt sich der Herausforderung die medizinische Versorgung von Patient:innen mithilfe digitaler Lösungen spürbar zu verbessern.